Das Elektroretinogram (ERG) ist ein elektrophysiologisches Signal, das durch Lichtreizung ausgelöst wird und nicht-invasiv abgeleitet werden kann. Das ERG entsteht durch Aktivität von Netzhautzellen. Es wird oft in der klinischen Routine eingesetzt, wo das ERG meistens als Antwort auf Blitzreize gemessen wird. In der Netzhaut sind Neuronennetzwerke (Sehbahnen) vorhanden, die ihre Information an den lateralen Kniehockerkörper des Gehirns weiterleiten. Sie sind für die Entstehung visueller Wahrnehmung verantwortlich. Ein Zusammenhang zwischen Aktivitäten dieser Sehbahnen einerseits und dem ERG andererseits konnte bis vor kurzem nicht nachgewiesen werden. Die Arbeiten des Labors für Netzhautphysiologie haben jedoch gezeigt, dass das ERG unter bestimmten Reiz- und Ableitbedingungen einen klaren Zusammenhang mit den Aktivitäten dieser Sehbahnen vorweist. Damit ist erstmals möglich, wichtige physiologische Eigenschaften der Sehbahnen nicht-invasiv beim Menschen zu erforschen (und damit Tierversuche zu reduzieren). Diese Forschung wird bei Normalprobanden und bei Patienten mit Netzhauterkrankungen weitergeführt.
ERGs ausgelöst durch physiologisch relevante Reize
Wir untersuchen die ERG Antworten auf Reize, die bislang noch nicht untersucht worden sind und die neue Einsichten in die visuelle Verarbeitung in der Netzhaut erbringen.
Routinemäßig (so auch in der Klinik) werden ERGs gemessen und untersucht, die durch Blitze ausgelöst werden. Blitze habe aber den Nachteil, dass die sehr unnatürlich sind und außerhalb des normalen physiologischen Bereiches der Netzhaut liegen. Dadurch können die ERGs erheblich verzerrt sein und nur bedingt Information über die Funktion der Netzhaut erbringen. Wir untersuchen ERG Antworten auf Reize, die Netzhaut im physiologischen Arbeitsbereich halten und gut zu analysieren sind. Beispiele sind Reize mit unterschiedlichen zeitlichen Profile: Sinus, Sägezahn, Weißes Rauschen. Außerdem wird die Veränderung der ERGs durch eine Modulation der Hintergrund untersucht.
Silent substitution
Wir leiten ERGs ab unter Reizbedingungen, in den nur ein Typ von Sehsinneszellen gereizt wird. Konventionell werden Isolierungen einzelner Sehsinneszelltypen erreicht, indem die unerwünschte Typen durch starker farblicher Adaptation unempfindlich gemacht werden und ein Blitz gezeigt wird, der dann hauptsächlich der empfindlicher Typ Reizen. Diese Methode hat Nachteile: Die Reize sind nicht genau zu quantifizieren und die Netzhaut wird in einer visuell extremen Situation gebracht, so dass die Antworten nur bedingt etwas über die Physiologie der Netzhaut aussagen. Wir benutzen eine Methode der spektralen Kompensation. Dabei werden die Empfindlichkeiten der Sehsinneszellen für verschiedenfarbigen Reize genauestens berechnet und so eingestellt, dass die Erregung nur eines Typs durch den Reiz verändert wird. In dieser Methode kann die Adaptation als unabhängiger Faktor untersucht werden. Die Methode kann mit anderen Stimuli, wie unter 1 beschreiben, kombiniert werden.
Untersuchung retinaler Sehbahnen
In der der Netzhaut findet schon eine Verarbeitung der visuellen Information statt. Dazu wird die Information in verschiedenen parallelen Sehbahnen geleitet. Wir fanden heraus, dass die Aktivitäten der zwei wichtigsten Sehbahnen unter bestimmten Reizbedingungen im ERG identifiziert werden können. Wir untersuchen die zeitlichen, räumlichen und andere physiologischen Eigenschaften dieser Sehbahnen im ERG.
Krankheitsbedingte Veränderungen im ERG
Die Techniken, die in den Sektion 1 bis 3 beschrieben werden eingesetzt in Messungen mit Patienten mit verschiedenen Netzhauterkrankungen und in verschiedenen Stadien der Erkrankung. Die Ergebnisse werden unter einander und mit denen, die bei Normalprobanden gleichen Alters und Geschlechts erzielt wurden, verglichen. Das Ziel ist eine verbesserte Diagnose und robustere Verfolgung des Krankheitsverlaufes und von Therapien. Außerdem möchten wir Krankheitsprozesse so besser verstehen.