Funktionelle Autoantikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren
1. Was sind Autoantikörper im Allgemeinen?
Autoantikörper sind Antikörper, die sich gegen körpereigene Strukturen richten und somit eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen spielen. In einem gesunden Immunsystem verhindert die Fähigkeit zur Selbsttoleranz, also zur Unterscheidung zwischen körpereigenen und körperfremden Substanzen, die Bildung solcher Antikörper. Wird die Selbsttoleranz jedoch gestört, kann es zur Bildung krankheitsverursachender Autoantikörper und so zur Auslösung von Autoimmunprozessen kommen.
Historisch bedeutsam war die erste Beschreibung von Autoantikörpern 1904 bei der paroxysmalen kalten Hämoglobinurie (Donath-Landsteiner-Antikörper) sowie die Entdeckung des Rheumafaktors in den 1940er Jahren. Seither wurden zahlreiche Autoimmunerkrankungen mit dem Vorhandensein spezifischer Autoantikörper in Verbindung gebracht. Nicht alle Autoantikörper sind jedoch krankheitsauslösend. So existieren auch natürliche oder nicht funktionale Autoantikörper, die in geringer Konzentration bei gesunden Menschen vorkommen. Erst wenn diese in übermäßiger Menge auftreten, können sie krankheitsverursachend wirken.
Eine besondere Untergruppe der Autoantikörper stellen die sogenannten funktionellen Autoantikörper dar. Diese Autoantikörper können die normale Rezeptorfunktion stören, chronische Signalwege aktivieren oder blockieren sowie Entzündungsprozesse fördern und so zur Krankheitsentwicklung beitragen. Die genaue Entstehung funktioneller Autoantikörper ist zurzeit nicht vollständig geklärt; es werden aber mögliche Auslöser wie Infektionen, Tumorerkrankungen oder eine gestörte Immunregulation diskutiert. Aufgrund der vielfältigen Wirkmechanismen der funktionellen Autoantikörper stehen diese zunehmend im Fokus der Forschung, um ihren Beitrag zur Entstehung von Krankheitsbildern und mögliche diagnostische sowie therapeutische Ansätze zu erforschen.
2. Was sind GPCR-fAAb?
GPCRs (G-Protein-gekoppelte Rezeptoren) sind eine große Familie von Membranrezeptoren, die an vielen physiologischen Prozessen beteiligt sind. Sie fungieren als Empfänger externer Signale, wie beispielsweise Hormone, Neurotransmitter oder Licht, und aktivieren infolgedessen intrazelluläre Signalwege. Dieser Prozess wird durch G-Proteine vermittelt. GPCRs regulieren Funktionen wie beispielsweise Herzfrequenz, Blutdruck, Hormonfreisetzung, Immunantwort und vieles mehr. Zu den bekannten GPCRs zählen unter anderem der β-adrenerge Rezeptor, der muskarinische Acetylcholinrezeptor und der Angiotensin-II-Rezeptor.
Autoantikörper gegen GPCRs sind häufig krankheitsassoziierte Antikörper, die an körpereigene GPCRs binden und deren Funktion beeinflussen. Sie können entweder eine aktivierende (agonistische) oder eine blockierende (antagonistische) Wirkung haben. Sie wurde als Rollenspieler bei mehreren verschiedenen Autoimmun- und chronisch-entzündlichen Erkrankungen nachgewiesen, zum Beispiel:
- Kardiovaskuläre Erkrankungen: z. B. Autoantikörper gegen β1-adrenerge Rezeptoren bei dilatativer Kardiomyopathie
- Autoimmunerkrankungen: Morbus Basedow
- Long COVID: Hier werden Autoantikörper gegen verschiedene GPCRs als mögliche Ursache für anhaltende Symptome bei einer Untergruppe von Long COVID-Patienten diskutiert. Beispielsweise konnte unsere Arbeitsgruppe mehrere Arbeiten publizieren, welche zeigten, dass viele Long COVID-Patienten funktionelle Autoantikörper gegen β2-, M2-, AT1-, MAS-, Nociceptin- oder Endothelin zeigten
3. Wie können wir sie detektieren?
Der Nachweis von Autoantikörpern kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen und lässt sich grundsätzlich in bindungsbasierte und funktionelle Verfahren unterteilen. Klassische Methoden wie der Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA) beruhen auf der spezifischen Bindung von Autoantikörpern an definierte Antigene – meist synthetische Peptide oder rekombinante Proteine. Diese Verfahren zeichnen sich durch eine hohe Sensitivität aus, liefern jedoch keine Information über die funktionelle Wirkung der Autoantikörper, etwa ob sie einen Rezeptor aktivieren oder blockieren. Im Gegensatz dazu erfassen funktionelle Assays die biologische Aktivität der Autoantikörper. Ein etabliertes Beispiel ist der Kardiomyozyten-Bioassay, bei dem die Spontanschlagrate kultivierter neonataler Rattenherzzellen nach Zugabe von Patienten-IgG gemessen wird. Veränderungen der Schlagrate können auf eine agonistische oder antagonistische Wirkung funktioneller Autoantikörper hinweisen. Durch die Kombination beider Ansätze – Bindung und Funktion – lässt sich ein umfassenderes Bild über das Vorhandensein und die potenzielle pathologische Relevanz von Autoantikörpern gewinnen. Vor allem funktionelle Nachweismethoden sind entscheidend, wenn es um die diagnostische und therapeutische Einordnung funktioneller Autoantikörper geht.